Erfahrungen mit Bloßstellungen

[Inzulini]

Hi Leute

Mir ist heute wieder etwas eingefallen, was ich während meiner Ausbildung erfahren habe.

Also, ich war im letzten Lehrjahr und ca seit einem halben Jahr Diabetiker. Da kam ein Junge für eine Schnupperwoche zu uns. Beim "z'9i" stellte sich heraus das dieser auch Typ 1 hatte.
Darauf sagte ich ihm das er dies dem Chef sagen solle, für den Fall das auf der Baustelle etwas nicht in Ordnung wäre.
Als er dies machte, began mein Chef an blöde zu Grinsen und zeigte mit dem Finger auf mich und meinte : "ha, da hast du ja auch noch einen"
fand ich schon etwas respektlos..

Am nächsten Tag waren wir auf einer Baustelle und machten da um 9 Uhr unsere Pause. Setzten uns in ein leeres Zimmer, BZ Messen, Injektion, essen.
Da kam mein Chef reingestürmt und meinte das wir beide sofort beim Material abladen helfen sollen. Darauf sagte ich ihm das dies jetzt gerade nicht ginge, da wir beide gerade Insulin injiziert hatten und zuerst essen müssen.
Das hat ihm nicht gefallen, aber er konnte uns ja nicht ins Hypo fallen lassen.
Er lief aus dem Zimmer und rief lautstark zu einem Mitarbeiter: "Sie wollen jetzt gerade nicht, sie haben gerade gespritzt. Sie sind ja beide Diabetiker!"
Wäre nicht so schlimm gewesen, wären da nicht noch mehrere Handwerker gewesen, welche uns danach sehr komisch beäugt hatten.

Es ist nicht so das ich mich für meine Erkrankung schäme. Aber unangenehm war mir diese Situation schon sehr. Muss ja nicht gleich jeder wissen.

Ich weiss nicht ob ich da etwas zu heikel bin, aber wie würdet ihr auf so etwas reagieren?
habt ihr schon ähnliche Situationen erlebt?

Liebe Grüsse

[Paedy]

Dem Chef mal erklären, ob er eigentlich weiss was Znüni ist...
Nein mal ehrlich ist schon nicht ganz sauber und fair. Ich würde das direkt unter 4 Augen mit dem Chef ansprechen und diese Situation mit genau den genannten Argumenten begründen.
Was arbeitest du denn?

[Herr_Koch]

Dumme Sprüche könnt ich annehmen, da geb ich auch gern zurück. Kein Problem. Wurde aber bisher eigentlich verschont. Klar, gab schon mal den einen oder anderen Spruch, aber so, wie man sich halt gegenseitig hochnimmt.
Das Verhalten von deinem Chef find ich aber fragwürdig. Er impliziert, dass ihr zwei was Besseres zu tun habt oder euch gar zu schade seid, jetzt noch rasch zu helfen. Für einen Unbeteiligten hört sichs jedenfalls so an. Und dann ist man als Diabetiker abgestempelt. Faules, arbeitsscheues Pack. Und das geht nicht.
Was da die richtige Reaktion gewesen wär, hängt natürlich davon ab, wie der Chef mit Kritik umgehen kann. Kann er einstecken, wie er austeilt, dann würd ich zurückbellen. Ist er empfindlicher, wärs keine gute Idee.

[Paedy]

Kritik an einer Person sollte aber trotzdem unter 4 Augen stattfinden. Speziell bei Chefs, denn diese fühlen sich noch viel schneller persönlich angegriffen und vor anderen in ihrer Autorität untergraben. Aber eigentlich ist es ein Armutszeugnis...

[Herr_Koch]

Stimmt schon. Aber wenn man vor versammelter Mannschaft blossgestellt wird, sollte man sich auch vor versammelter Mannschaft rechtfertigen dürfen. Sonst bleibt die Kritik in den Köpfen der anderen. Halt so im Sinne "Gut, ich komm helfen, dafür trägst du mich dann ins Krankenhaus, wenn ich zusammenklapp."
Aber natürlich muss der Obermotz das ertragen können, sonst ists ein Schuss nach hinten.

[rahel3670]

Hallo Inzulini

ich würde mir als erstes Mal überlegen, wie viel der Chef und deine Mitarbeiter über Diabetes Typ 1 wissen.
die meisten Leute haben ja sowieso keine Ahnung, was das bedeutet.
Ich würde mal zuerst den Chef aufklären und fragen, ob du mal eine halbstündige Information geben darfst an deine Mitarbeiter.
(Vielleicht am Morgen im Büro, bevor alle auf die Baustelle fahren)

Ich finde es gut, wenn alle wissen, was passieren kann, wenn du in ein tiefes Hypo fällst.
Und wie sie darauf reagieren sollen.
Das kann auch ein Schutz für dich sein, und weckt vielleicht ein wenig Verständnis.

Dass es auf Baustellen oft sehr unsensibel zu und her geht, ist bekannt, das würde ich nicht persönlich nehmen.

liebe Grüsse

Rahel

[Inzulini]

Danke für eure Antworten!

Damals war ich in meiner Schreiner Ausbildung, die ich letzten Sommer beendet habe.
Jetzt arbeite ich nicht mehr in diesem Betrieb und auch nicht mehr auf diesem Beruf.

Ja heute würde ich mir sowas auch nicht mehr gefallen lassen. Aber damals war ich noch sehr unsicher und hatte auch mühe mich vor diesem Chef zu rechtfertigen. Hatte nie ein gutes Verhältniss.

In dem Betrieb in dem ich jetzt als Landschaftsgärtner arbeite, gehen alle sehr verständnissvoll mit meiner Erkrankung um. Habe auch von anfang an offen darüber gesprochen.
Und gegen Sprüche habe ich ja nichts, manchmal sind sie aber einfach nicht angebracht.

[Nike]

Wenn es meine Kinder beträfe, würd ich ihnen raten, mit dem Chef unter vier Augen reden. Und wenn sich dann nichts ändern, würd ich meinen Mann zum Gespräch schicken. Inzulini, das Verhalten von dem Chef empfinde ich schon grenzwertig was die Höflichkeit angeht.

Grüessli Nike