Verantwortung

Erzähle uns Deine Erlebnisse, Wie gehst Du mit deinem Diabetes um. Mein Kind, Partner, jemand aus meiner Familie, Bekanntenkreis hat Diabetes. Was nun?
Lautschgi
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Verantwortung

Beitrag von Lautschgi »

Hallo zusammen

Ich bin neu hier und möchte mich kurz vorstellen. Bei mir wurde Anfangs Jahr im Alter von 27 Jahren Diabetes Typ 1 diagnostiziert. Ich habe mich mich sehr schnell an mein „neues“ Leben gewöhnt und einen guten, unkomplizierten und akzeptierenden Umgang mit der Krankheit gefunden. Ich bin ein sportbegeisterter Mensch, der sich wahnsinnig gerne im Freien bewegt. So hing ich bereits eine Woche nach meiner Diagnose wieder an der Kletterwand, begleitete Skilager und führte mein Leben fort wie bisher (oder zumindest fast). Gestern, ein knappes halbes Jahr später, bin ich sogar wieder tauchen gegangen. Und obwohl soweit alles problemlos verläuft, beschäftigen mich immer wieder verschiedene Fragen. Deshalb starte ich hier mal mit einigen Fragen rund um das Thema Verantwortung, zu dem ich in den bisherigen Forenbeiträgen kaum etwas gefunden habe.

Ich bin Sportlehrerin und mache mit meinen Jugendlichen immer mal wieder Outdooraktivitäten wie z.B. Schwimmen und Kayakfahren im See. Nun stellt sich mir die grosse Frage, ob es in Ordnung ist, wenn ich als Diabetikerin alleine mit 10 Jugendlichen solche Sicherheits-Aktivitäten durchführe? Ich habe - und damit sind wir bei der Kehrseite des Ganzen angekommen - leider sehr häufig Hypos (z.T. mehrmals täglich, in der Regel zw. 2,6-3,8 mmol/l). Bei bevorstehenden Sicherheitsaktivitäten achte ich besonders darauf, dass meine Werte eher zu hoch sind. Aber reicht das aus? Und wie sieht es mit Klassenlagern aus, in denen ich die Hauptverantwortung trage?

Würde mich über eure Erfahrungen und Meinungen freuen.
Liebe Grüsse
Lautschgi
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hut
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Re: Verantwortung

Beitrag von hut »

Hallo Lautschgi
Willkommen im diabetesclub.ch und vielen Dank für deinen ersten, sehr interessanten Beitrag.

Ich finde es tolle, dass du einen guten, unkomplizierten und akzeptierenden Umgang mit dem Diabet4es gefunden hast und deinen sportlichen Aktivitäten weiterhing nachgehst. Ganz nach unserem Slogan "Diabetes! … na und?"

Mit den beschriebenen mehrmals täglich auftretenden Hypos erachte ich die Durchführung der beschriebenen Aktivitäten mit Jugendlichen als risikoreich, es sei denn, du hast eine erwachsene Begleitperson dabei.
Der Hauptverantwortung für Klassenlage steht meines Erachtens nichts dagegen, da ich davon ausgehe, dass eine Leitungsteam, welches aus mindestens zwei Personen besteht, vorhanden ist.

Ich denke, dass es wichtig ist, dass die von dir betreuten Jugendlichen über deinen Diabetes und über das Verhalten beim Auftreten von Hypos informiert sind. Jugendliche können jedoch aus rechtlichen Gründen nicht die Verantwortung für die Gruppe übernehmen, falls etwas schief läuft.

Ich hoffe auf weitere Antworten, da ich deine Frage als sehr interessant und für viele Betroffene als relevant betrachte.
Wer einen Tippfehler findet, darf ihn behalten, ich besitze noch einen genügenden Vorrat davon!
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Herr_Koch
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Re: Verantwortung

Beitrag von Herr_Koch »

Ich würde das Problem mit den Hypos angehen. Hast du das mit deinem Arzt schon einmal angeschaut? Evtl. müsste man die Basalversorgung mal prüfen, wenn das bei dir so oft vorkommt.
Lautschgi
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Re: Verantwortung

Beitrag von Lautschgi »

Lieber hut, lieber Herr_Koch

Danke für die raschen und hilfreichen Antworten. Ich lese in Zusammenhang mit "Schule & Diabetes" viel über Kinder mit Diabetes - über Lehrpersonen mit Diabetes sind jedoch leider kaum Beiträge zu finden.

Es macht sicherlich Sinn, in Zukunft Begleitpersonen für meine "Sicherheitsaktivitäten" zu suchen. Ich habe mir nie gross Gedanken darüber gemacht, meine Schülerinnen & Schüler genauer über den Diabetes zu informieren (ohne daraus ein Geheimnis machen zu wollen). Mit denjenigen, die mich direkt gefragt und ;) angesprochen haben, habe ich offen darüber gesprochen. Es wäre mir aber wahrscheinlich nicht eingefallen, die Jugendlichen über das Verhalten bei einer Unterzuckerung zu informieren. Ich habe mir deinen Tipp, hut, zu Herzen genommen und die Jugendlichen letzte Woche vor einer anstehenden Bike-Tour näher über meine Krankheit und die Möglichkeit einer Unterzuckerung informiert. Sie haben wahnsinnig grosses Interesse gezeigt und sehr viele Fragen gestellt - auch noch Tage später. Da war ganz offensichtlich Rede- und Fragebedarf da ;)

Das Problem mit den vielen Hypos habe ich mit meiner Diabetologin bereits angeschaut. In der Regel sind meine Nüchtern-Werte morgens eher zu hoch - die Basalversorgung sollte eigentlich passen... Problematisch sind eher meine teilweise sehr unberechenbaren Tagesabläufe (wie z.B. stressige Stunden gefolgt von ruhigen Zwischenlektionen, Snacks, Essen und immer wieder viel Sport und Aktivitäten), die die Bolusberechnung nicht ganz einfach machen...
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Herr_Koch
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Re: Verantwortung

Beitrag von Herr_Koch »

Das machts nicht einfach, ich sehs. Vielleicht zurückhaltend spritzen und ggf. korrigieren. Sicher auch nicht optimal, aber das ists mit den Hypos ja auch nicht ... nicht einfach. Ob da eine Pumpe ggf. helfen könnte, sofern du sowas überhaupt in Betracht ziehen würdest, wüsst ich jetzt nicht. Aber du kannst da genauer dosieren als mit dem Pen. Viel Erfolg jedenfalls weiterhin.
Schön zu lesen, dass es die Schüler interessiert hat. Sicher eine gute Entscheidung, sie miteinzubeziehen. Macht sie vielleicht auch etwas stolz, involviert zu werden. ;)
Lautschgi
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Re: Verantwortung

Beitrag von Lautschgi »

Eine Pumpe habe ich in Betracht gezogen, ja. Ich habe mich bisher dagegen entschieden, da ich viel klettere und ich mir das Teil am Bauch mit „Kletter-Gurt“ eher mühsam vorstelle. Hat jemand Erfahrung damit? Als Alternative käme wohl auch eine Omnipod-Pumpe in Frage. Da warte ich aber noch auf die Entwicklung einer App, damit man das riesen Gerät nicht immer mitschleppen muss ;)
Geri

Re: Verantwortung

Beitrag von Geri »

Hallo Lautschgi,

Ich war in einer sehr ähnlichen Situation wie du. Bei der Typ1-Diagnose war ich 28 Jahre alt, ebenfalls Lehrer, der mit den Schülern viel Outdoor-mäßig unterwegs war. Das war vor knapp 35 Jahren. Und ich hatte auch viele Hypos. Da ich diese aber immer rechtzeitig erkannt habe, hat es nie Schwierigkeiten gegeben, obwohl Eltern und Kids von meinem Diabetes Bescheid wussten. Alle waren sehr kooperativ. Helfen musste man mir nie und über einen Mangel an Vertrauen kann ich mich nicht beklagen.

Auch ich bin immer viel geklettert. Obwohl wir hier in Österreich frei wählen können zwischen Pen- und Pumpentherapie, bin ich beim Pen geblieben. Pumpe und flexible Sportausübung vertragen sich nicht gut. Die innovativen HiTec-Produkte für die Diabetes-Therapie drängen den Nutzer eher in die Komfortzone. Wer raus will aus der Komfortzone, sollte eher die autarke Diabetes-Therapie nutzen - Pen und blutige Messung. Eventuell den Libre nutzen, aber der ist bei Sportlern auch nicht unproblematisch.

Liebe Grüße
Geri
Lautschgi
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Re: Verantwortung

Beitrag von Lautschgi »

Hallo Geri

Danke für deine spannende Antwort - und schön zu hören, dass ich nicht die Einzige bin... Bist du in all den Jahren immer nur beim Pen geblieben? Der Libre funktioniert bei mir im Alltag, auch in Zusammenhang mit Sport, relativ gut. Und dann kommen ja da immer mehr und immer raffiniertere Pumpen auf den Markt.

Liebe Grüsse
Lautschgi
Geri

Re: Verantwortung

Beitrag von Geri »

Hallo Lautschgi,

Durch den wissenschaftlichen Fortschritt haben wir heute nicht nur eine, sondern eine ganze Palette an verschiedenen Diabetes-Therapien. In wesentlichen bringen sie alle annähernd die gleichen Erfolge, wenn man sie sorgfältig betreibt. So hat etwa eine Untersuchung bei uns in Österreich ergeben, dass sich der HBA1c beim Umstieg von ICT oder CT auf Pumpe um 0,15% verbessert. Das ist nicht viel und kann damit kein Entscheidungskriterium für mich sein. Wenn man z.B. Diabetes-Tagebuch schreibt und dieses regelmäßig interpretiert, verbessert sich der HBA1c im Schnitt um attraktive 0,65%. Somit haben wir heute die Freiheit, nicht einer bestimmten Therapie folgen zu müssen und unser Leben an diese anzupassen. Wir können unsere Lebensziele definieren und dann aus der breiten Palette der Therapien die geeignete aussuchen. Für mich sind verschiedene sportliche Aktivitäten und Rucksackreisen (als Lehrer haben wir auf Grund der Ferien ja genügend Zeit) sehr wichtig. Ich hätte meine Lebensziele nie mit Pumpe und/oder CGM realisieren können, deshalb meine klare Entscheidung: ich bleibe beim Pen und bei der blutigen Messung, obwohl die Krankenkasse auch alle anderen Therapieformen bezahlen würde. Hier kann ich in jedem Fall meine Therapie ohne irgendeinen Support managen. Ich wurde auch von Diabetes-Unternehmen gebeten, CGMs unter Outdoor-Bedingungen zu testen. Ich habe die Tests durchgeführt, aber für mich waren die Erfahrungen die reine Katastrophe. Freiiwillig will ich so etwas nicht. Der Libre ist weit weniger störend als z.B. Schlauchvarianten, speziell für das Reisen (Pack-Volumen und Abhängigkeit vom Strom, kein Support in den meisten Ländern) ist er aber ungeeignet.

Liebe Grüße
Geri
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Oli
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Re: Verantwortung

Beitrag von Oli »

Meine Erfahrungen haben gezeigt, dass das Diabetesmanagement mit Pumpe oder Pen genau gleichgut geht. Kommt halt darauf an, was man besser mag. Einzige Option: Ausprobieren! Ich gebe aber zu, dass der Pen für mich auch etwas angenehmer ist mit dem vielen Sport. Soweit stimme ich Geri zu.

Beim CGM habe ich eine 180° andere Meinung. Zwar ist die blutige Kontrolle gerade beim Sport auf jeden Fall auch mit CGM noch ein wichtiger und unerlässlicher Teil der Kontrolle. Aber für mich gibts Sport nur noch mit CGM. Ich benutzte bis jetzt die Geräte von Dexcom. (G4, G5 und G6) Ich kann daher nicht ganz nachvollziehen, dass CGM's nicht uutdoortauglich sein sollen. Ich trainiere fast jede Woche über 20 Stunden, bei allen Wetterbedingungen und Temperaturen und der Dexcom liefert zuverlässig Daten, die zumindest in meinem Fall auch immer sehr nahe an den blutig gemessenen Werten sind. Gerade um Trends zu erkennen sind CGM's für mich unerlässlich bei Situationen bei denen man nicht ins Hypo fallen darf. Wie gesagt: Probieren geht über studieren!

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