Wie bekomme ich die Angst in den Griff?

Erzähle uns Deine Erlebnisse, Wie gehst Du mit deinem Diabetes um. Mein Kind, Partner, jemand aus meiner Familie, Bekanntenkreis hat Diabetes. Was nun?
Kira

Wie bekomme ich die Angst in den Griff?

Beitrag von Kira »

Hallo ihr Lieben,

ích bräuchte euren Rat bzw. eure Erfahrungen.
Ich bin seit etwas über einem halben Jahr mit meinem Freund zusammen. Er hat Diabetes Typ 1 und die Behandlung erfolgt über Basis-Bolus. Am Anfang (da hatte ich mich mit Diabetes noch nicht so auseinandergesetzt) habe ich das ganze relativ entspannt wahrgenommen. Ich wußte das er bei Unterzucker mal anfängt zu zucken oder komisch zu reden aber das war nicht weiter schlimm. Dann kam der erste schwere Hypo. Da hat er fast eine halbe Stunde lang gezuckt. Daran hatte ich danach noch einige Tage zu knabbern. Einige Wochen später kam der nächste schwere Hypo. Mitten in der Nacht. Vermutlich zu hohe Basalrate. Da hab ich das erste Mal einen Krampfanfall erlebt. Erst das Zucken, dann das Versteifen des Körpers, dann das Umkippen. Habe ihm Glucagon gespritzt (zu dem Zeitpunkt hatte ich mich Gott sei Dank schon etwas mehr mit Diabetes beschäftigt und wußte wie die Spritzen zu handhaben sind). Weil er aber danach ganz blaue Lippen hatte und gezittert hat hab ich den Notarzt gerufen. Wäre vermutlich nicht nötig gewesen wenn ich vorher gewußt hatte das er krampfen kann...
Tja und jetzt vor kurzem der nächste Hypo mit Krampfanfall und Bewußtlosigkeit (Sport am Abend und Basal vermutlich zu hoch). Wieder Glucagon, aber diesmal ohne Notarzt.
Aber ich habe ein Problem damit, wieder auf ein nervliches Normallevel zu kommen. Wenn er messen geht und bei 50 oder drunter liegt merke ich schon wie mir das Herz anfängt zu rasen, ich renne durch die Wohnung um Apfelsaft und Traubenzucker (der eigentlich eh in der ganzen Wohnung verteilt ist) zu holen.
Gehts euch manchmal auch so? Wie schaffe ich es wieder lockerer zu werden, diese Angst loszuwerden? Ich will ihn ja nicht bevormunden oder bemuttern (aber ich fürchte genau das tue ich im Moment).

LG
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Herr_Koch
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Re: Wie bekomme ich die Angst in den Griff?

Beitrag von Herr_Koch »

Hoi Kira

Wie lebt dein Partner mit dieser Situation? Für ihn ist eine so grobe Hypo wohl ebenfalls ein Riesenstress. Und eigentlich ists seine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass er nicht in diese Situation kommt. Stichwort: Einstellung optimieren.

Ob und wie du wieder auf ein normales Stresslevel kommst, kann dir wohl niemand einfach so sagen. Das Wichtigste ist, dass du die Krankheit nicht zu deiner Krankheit machst. Es ist, obschon deine Fürsorge wichtig, richtig und notwendig war/ist, die Sache deines Freundes, sich um die Krankheit zu kümmern. Mit Diabetes wird man nicht zum Pflegefall. Wenn sein Zucker allerdings derart in den Keller rauscht, dass er krampft und bewusstlos wird, dann ist er auf Hilfe angewiesen. Und das muss unbedingt vermieden werden.

Wie lange hat er die Krankheit denn schon und wäre eine Schulung, resp. eine Auffrischung der Kenntnisse vielleicht etwas? Nötig wärs wohl, wie ichs da rausles.
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hut
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Re: Wie bekomme ich die Angst in den Griff?

Beitrag von hut »

Herzlich willkommen, Kira, im diabetesclub.ch. Schön, dass du dich für den Diabetes deines Freundes interessiert, aber....
Ich wußte das er bei Unterzucker mal anfängt zu zucken oder komisch zu reden aber das war nicht weiter schlimm.
Ein Hypo, welches zu "Zuckungen" führt, ist bereits ein massives Hypo, welches eigentlich nicht vorkommen sollte. Da kann ich Herr_Koch nur beipflichten: Der Diabetes deines Freundes scheint tatsächlich oprimierungsbedürftig zu sein!
Auch der Aussage, dass dein Freund die vernatwortung für das Handlins seines Diabetes selbst übernehmen muss, stimme ich aus vollem Herzen zu. Da könnte eine geeignete Schulung tatsächlich einiges bewirken. Taucht sich dein Freund selsbt auch in einem Forum oder in einer gruppe aus? Das könnte ein erster Schritt sein, die Verantwortung dfür das Diabetesmanagement zu übernehmen. Selbstverständlich ist auch er in unserem Forum herzlich Willkommen.

Ich wünsche dir weiterhin einen regen Austausch und viele wertvolle Tipps im diabetesclub.ch
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Kira

Re: Wie bekomme ich die Angst in den Griff?

Beitrag von Kira »

Er hat die Krankheit schon an die 20 Jahre glaub ich. Er ist momentan nicht richtig eingestellt, das weiß er auch. Aber diesbezüglich ist er schon in Behandlung. Ein Problem ist das er sehr stark auf Sport reagiert und das er mit dem Gewicht etwas schwankt. Mal 3 Kilo rauf, dann wieder 3 Kilo runter. Da hauts ihn dann immer mit der Basalrate runter oder hoch. Diese extremen Hypos waren auch eigentlich alles nachts. Tagsüber merkt er es eh meistens relativ früh wenn der BZ sinkt.

Ich weiß ja auch gar nicht warum ich immer gleich so nervös bin. Solange Notfallspritzen im Haus sind und er keinen Alkohol getrunken hat weiß ich ja das ich ihm damit helfen kann. Vielleicht würde es auch mir helfen zu einer Diabetikerschulung zu gehen damit ich weiß was passieren kann, was im Körper vorgeht und was ich tun kann / muß. Man liest viel in Büchern oder im Internet aber es bleiben trotzdem so viele Fragen offen. Meistens schießt er ja vom starken hypo ins Gegenteil, weil wir ihn bei sehr niedrigen Werten natürlich mit Traubenzucker und Saft vollstopfen. Und dann muß man wieder Insulin spritzen und halbstündlich messen damit er nicht wieder in den nächsten Hypo sackt. Das kann ja auch nicht die Lösung sein.
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Re: Wie bekomme ich die Angst in den Griff?

Beitrag von Herr_Koch »

Ich denke, es spricht nichts dagegen, wenn du ihn zB. zu einer Schulung begleitest. Meine Freundin war damals im Spital auch mal dabei, als ich einen Schulungstermin hatte. War die Idee der Diabetesberaterin und es war sicher auch für sie interessant. Wie du schreibst, Bücher sind das eine, Erzähltes bleibt aber vielleicht besser hängen. Und man kann fragen, wenn was unklar ist.
Was, wie hut schreibt, auch hier möglich ist. Der Austausch bringt womöglich schon Hilfe.

Die Achterbahn, die er da durchmacht, ist tatsächlich ein Problem. Vielleicht sollte er mal etwas runterfahren mit dem Sport, um Ruhe reinzubringen.
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hut
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Re: Wie bekomme ich die Angst in den Griff?

Beitrag von hut »

Gerade im Zusammenhang mit Sport ist es wichtig, dass dein Freund seinen Körper und seinen Diabetes kennen lernen. Es ist keineswegs zwingend, dass im Zusammenhang mit Sport Hypos entstehen, auch ist es nicht zwingend, dass dein Freund auf Sport verzichtet.
Es gibt keine allgemeinverbindlichen Werte, in der Regel soll aber der Blutzucker bei der Aufnahme der sportlichen Tätigkeit eher erhöht sein (wie viel, ist völlig individuell), auch empfiehlt es sich, während dem Sport den BZ zu messen und gegebenenfalls Kohlenhydrate einzunehmen.
Wenn bei tiefen Werten "aufgezuckert" werden muss, empfiehlt es sich, dien nicht ausschliesslich mit Kohlenhydratträgern mit einem hohen glykämischen Index (z.B. Traubenzucker, Fruchtsäfte) vorzunehmen, sondern auch mit länger anhaltenden Kohlenhydrate (z.B. Schokolade, Riegel etc.) ergänzt.
Wenn der Blutzuckerspiegel nach dem Aufzuckern kurzfristig erhöht ist, muss dieser nicht gleich mit Insulin wieder gesenkt werden, erst mal ca. 2 Stunden abwarten.
Auch Gewichtsschwankungen können bei der Insulintherapie berücksichtig werden. Ich muss mir als Betroffenen darüber klar werden, bei welchem Körpergewicht ich die Kohlenhydrate mit welcher Dosis insulinisieren muss.
Du siehst, damit ein Diabetes gut eingestellt werden kann, muss sich der Betroffene damit auseinandersetzen und seine persönlichen Lösungsansätze finden. Es gibt keine allgemeingültigen Tabellen.....
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bianca

Re: Wie bekomme ich die Angst in den Griff?

Beitrag von bianca »

Hallo Kira

Von schweren Unterzuckerungen kann ich fast ein Buch schreiben.
Redet Dein Partner mit Dir darüber?
Vieles ist bereits erwähnt worden... das mit der Gewichtsab-und zunahme ist mir auch bekannt. Dann war der BZ auch immer wieder anders.
Setzt er sich selber auch damit auseinander?

Lg Bianca
Kira

Re: Wie bekomme ich die Angst in den Griff?

Beitrag von Kira »

Wenn der Blutzuckerspiegel nach dem Aufzuckern kurzfristig erhöht ist, muss dieser nicht gleich mit Insulin wieder gesenkt werden, erst mal ca. 2 Stunden abwarten
Auch wenn er schon bei fast 400 ist??

@Bianca: hattest du selbst schon viele schwere Unterzuckerungen? Auch mit Bewußtlosigkeit? Wie ist es dir damit gegangen? Bleibt da irgendwas zurück (Folgeschäden o.ä.)?
Ja wir reden sehr viel drüber. Er hat Angst dass ich das nicht schaffe weil es mich nervlich zeitweise einfach fertig macht. Immer wenn ich mich nach einem Hypo wieder im Griff habe und alles wieder etwas entspannter sehe kommt der nächste.... Und die Entspannung dann wieder zu finden wird immer schwerer. Aber irgendwie muß ich das in den Griff bekommen.
Er setzt sich jetzt eben seit den Hypos wieder mehr damit auseinander. Es schleicht sich nach 20 Jahren halt doch eine gewisse Routine ein. Auf jeden Fall gehen ihm die Schwankungen jetzt selber schon sehr auf den Geist.
bianca

Re: Wie bekomme ich die Angst in den Griff?

Beitrag von bianca »

Hallo Kira

Ja, auch wenn der Zucker bereits bei 400 ist. Dann zu korrigieren kann fatale Folgen haben.
Ich habe sehr viele Schwankungen hinter mir. Ich hatte 24 Jahre Diabetes, bin mittlerweile transplantiert, aber die Ängste kann ich immer noch sehr gut nachvollziehen.
Die Hypos ziehen schon einiges mit sich. Spätfolgen in dem Sinne kann ich nur sagen, dass ich mehr Probleme hatte, mich zu konzentrieren.
Ich kann beide Seiten sehr gut verstehen. Mann kann nicht alles verhindern. Ich habe versucht, meiner Tochter beizubringen, dass sie das nicht als Angst abspeichern soll. Weder Du, noch meine Tochter können etwas für diese Hypos. Ich habe mir auch "Hilfe" geholt, wie ich es meiner Tochter erklären soll, vor allem auch, dass sie mich nicht mit der Angst erdrückt. Das ist dann zum Teil schon panisch geworden.
Wie sieht es aus, dass man mal in einem Dreiergespann darüber redet, mit Deinem Freund zusammen?
Liebe Grüsse
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hut
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Re: Wie bekomme ich die Angst in den Griff?

Beitrag von hut »

Auch wenn er schon bei fast 400 ist??
Ja, auch dann kann noch zugewartet werden. Wenn der BZ nach dem "Aufzuckern" auf fasst 400 (= ca. 22 mmol)kann das damit zusammenhängen, dass schnellwirksame Kohlenhydrate am Werk sind. Diese Wirkung lässt in der Regel auch sehr schnell wieder nach. Wenn dann insulinisiert wird, ist die Glucose weg und das Insulin wirkt während ca. 4 Stunden.
Häufige schwere Hypoglykämien können Schädigungen am Gehirn verursachen. Beil älteren Menschen ist bekannt, dass Hypoglykämien eindeutig den Verlauf von dementiellen Entwicklungen beschleunigen.
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