Diabetiker-Kurs

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ondi

Diabetiker-Kurs

Beitrag von ondi »

Gegenwärtig bin ich seit März und bis Anfang Juni im Kurs «Diabetes Rehabilitation». Wie man im Internet sehen kann, wird er schweizweit in diversen Ortschaften angeboten und von den Krankenkassen unterstützt. Ich kann sagen, dass ich noch nie so viel gewalkt bin. Gegenüber den anderen Kursteilnehmern ist das natürlich ein bisschen unfair, denn sie sind ja nicht wie ich Rentner. :oops:

Gegenwärtig liegt mein Tagesdurchschnitt bei etwas über 21 000 Schritten. Wenn ich das bis zum Kursende durchziehe, werde ich in drei Monaten rund 1,8 Mio. Schritte gegangen sein. Natürlich muss es nicht Gehen sein, andere Bewegungsarten stehen schließlich auch zur Verfügung. Bevorzugt Ausdauertraining. :twisted:

Ich bin meiner HÄ dankbar, dass sie mich auf diesen Kurs aufmerksam gemacht und dort angemeldet hat. Man kann sich nämlich nicht selbst anmelden, sondern nur von einer medizinischen Fachperson angemeldet werden, obwohl der Kurs allen Diabetikern offensteht. 8-)

Der Kurs bietet zwar nicht dieses Ausmaß an Bewegung, kann jedoch der Anstoß dazu sein; man kann dann selbst die Initiative für ein Mehr an Bewegung ergreifen. Immerhin erhält man wöchentlich 3 Fitnesslektionen: Gymnastik, Wassergymnastik im Solebad, Nordic Walking. Das wird noch ergänzt mit Schulung anhand von Diabetes- und Ernährungsberatung. In Winterthur wird der Kurs von Medbase durchgeführt. :clap:

Für mich selbst sind es 3 besondere Gründe für viel «Spazieren»:
1. der Diabetes; die Bewegung senkt den Blutzucker, was besonders dann wichtig ist, wenn man keine Medikation mehr zum Senken des Blutzuckerspiegels verschrieben hat, weil man es ohne schafft — aber auch allgemein ist viel Bewegung gut zum Vermeiden von Insulinresistenz, sie tut dem Energieumsatz/Stoffwechsel/Durchblutung usw. gut;
2. mein Ödem in Füßen und Beinen; eigentlich müsste ich Kompressionsstrümpfe tragen, kann das Ödem aber mit viel Bewegung zwischenzeitlich zurückdrängen;
3. macht es einfach Spaß, anhand des Stepcounters zu schauen, wie viel man schafft.

Ein zusätzliches Plus: Man lernt die nähere und weitere Umgebung besser kennen. :crazy:

Diese erfreuliche Entwicklung habe ich auch der von meiner Seite zuerst eigentlich gar nicht erwünschten Frühpensionierung zu verdanken. Zudem ists ja noch für die Fitness gut.

Mein Fazit: Es wäre für viele Zuckerkranke hilfreich, wenn sie von diesem Kursangebot erführen … zwecks Abwendung von Diabetes-Spätfolgen, die auch heute noch krass sein können. Ich war bei meiner Diagnose im März 2008 zu meinem Glück schon sensibilisiert, da mein Cousin einem diabetesbedingten MOV infolge kompletter Insulinresistenz erlegen war und sich der Diabetes bei einigen meiner Berufskollegen in früheren Jahrzehnten übel ausgewirkt hatte (Beine, Augen). [Natürlich gabs damals in den 1970ern/1980ern noch keine modernen BZ-Messgeräte für jede/jeden Einzelnen.] Mit den heutigen Lebensgewohnheiten hat sich der DM im letzten Jahrzehnt in der Schweiz sogar verdoppelt [laut einer Studie der Uni Lausanne/Tagesschau vom 26.1.2013/Editorial des Zürcher Blatts «Fokus/ZDG» 3/2013].

Gelegentlich bekomme ich zu hören, ich solle mich nicht nach Beendigung der Berufsarbeit quasi zum «Berufsdiabetiker» machen. Das trifft bei mir sicher nicht zu: Sowohl Hobbys wie auch andere Aktivitäten müssen nicht zurückstehen. Heuer genehmigte ich mir ein besonders klangedles Flügelhorn (AC 156 NR) und steige damit wieder ins aktive Musizieren ein. :wave:
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hut
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Re: Diabetiker-Kurs

Beitrag von hut »

Vielen Dank für den bericht, Ondi. Das tönt ja wirklich sehr gut. Ich wünsche dir qweiterhon viel Spass bei deinem Programm ud kann dir zu deiner Leistung nur gratulieren.
Wer einen Tippfehler findet, darf ihn behalten, ich besitze noch einen genügenden Vorrat davon!
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Re: Diabetiker-Kurs

Beitrag von ondi »

Bewegung: ein Segen und ein Fluch (?)
Eine kleine Ergänzung mit allgemeineren Gedankensplittern

Ist Bewegung ein «Segen und ein Fluch»? Also nach dem Motto gedacht, wie man es in der Fernsehkomödie «Monk» (Tony Shalhoub) von dessen Detektivsinn oft hörte, in der die Hauptfigur psychisch im wörtlichen Sinn «behindert, blockiert» war.

Das Verrückte dabei: Es ist ja schon vor vielen Generationen geschehen, dass man die Meinung zu favorisieren begann, in «modernen» Ländern sei körperliche Betätigung als ultra-out anzusehen, so, wie man damals einen blassen Teint und körperliche Überfülle als Statussymbole sah. Man lachte über Charles Chaplin als Fliessbandbediener in «Modern Times». (Heute würde man vielleicht sagen: «Solche Arbeit gehört in Sweatshop-Countries!») Ohne sich zu fragen, ob denn vielleicht bald mal alle Länder «moderne» Länder sein wollen.

Ist körperliche Bewegung auch heute noch «ein Fluch» der prämodernen Zeiten? Oder anders: Betrachtete man es als pervers, dass sich Leute im «Hamsterrad» bewegen (also auf einem Vita-Parcours, einem Heimtrainervelo oder in einem Fitnessstudio usw.), in irgendeiner Anlage, die geschaffen werden musste, weil körperliche Bewegung mal als nicht mehr modern eingestuft wurde, weil sie den Leuten von automatisierten Fertigungsanlagen weggenommen wurde, damit der Mensch sich kreativerer Tätigkeit zuwenden konnte?

Ebenfalls aus der Zeit der Stummfilme zu Beginn des 20. Jahrhunderts kennt man die alte Art von Lifts, die Paternoster, also ständig umlaufende Aufzüge, und die Rolltreppen, die in diesen alten, tonlosen Schwarzweissfilmen immer für grosse Heiterkeit sorgten. Es dünkte einen urkomisch, dass Leute nicht mehr Treppen benützten.

Es hatte sogar etwas Anarchisches, Befreiendes, beim Anschauen solcher Slapstick-Filme (später bei Tatis «Jour de fête», wo Tati als Postbote Mobilität ad absurdum führt) sich über moderne Menschen zu amüsieren, die sich selbst nicht mehr bewegten, weil es im Gegensatz zu Fliessbandarbeit und Sweatshops als vornehm galt, sich «mühelos» fortbewegen zu können, sei es mit dem Veloziped (also Bike) [was zwar immer noch eigene Bewegung voraussetzte], sei es mit eigenem Automobil, Omnibus, Trambahn, Eisenbahn, Flugzeugen usw.

In den 1950er Jahren gabs schon den Begriff «Fitness» für körperliche Leistungsfähigkeit – verwandte Bedeutungen wie «mentale, geistige Fitness» wohl noch nicht. Aber kaum jemand konnte «fit» schon verstehen. Bei den Pfadfindern hatten wir einen nachbarlichen Spielkameraden, der auf den Namen «Fit» getauft wurde (er ist heute der Chef einer entsprechenden Institution); und dieser Kamerad musste seinen Namen erklären, weil man das noch nicht «kannte».

Auch heute bestimmt die Mentalität, es sei abwegig, sich Bewegung zu verschaffen (wie das die jungen Leute ja von sich aus ganz selbstverständlich tun), noch die Gedankenwelt vieler Menschen.

Ich hätte wirklich gelacht, wenn ich in meiner Kindheit ein Bild gesehen hätte, wie ich selber als alte Person aus eigenem Interesse «walken» gehe. Was macht denn der alte Mann in diesen Klamotten? Warum sitzt er nicht auf einer Parkbank und döst vor sich hin?

Diese Mentalität ist mir wieder begegnet, als ich spätabends auf einem meiner täglichen «Spaziergänge» (round midnight, quasi) mit entsprechendem sportlichem Outfit auf einen ehemaligen Arbeitskollegen traf.
Was machst du denn da in diesen komischen Kleidern?, schien er zu fragen. Und gesagt hat er mir, es sei doch das Vorrecht der alten Leute, das Leben ausschliesslich «gemütlich» anzugehen, sich nicht mehr zu bewegen.

Ich hingegen fand, es sei ja keiner von uns Gruftis gezwungen, alles mitzumachen; man könne sich ja selbst aussuchen, wie man sich bewegen wolle. Ich hasse es etwa, als «Stockente» mit Walkingsticks zu gehen wie ein Skilangläufer; das empfinde ich dann meinerseits als unnatürlich. Es wird auch niemand Betagter gezwungen, sich in einer grossen Kugel den Berg hinunterrollen zu lassen oder Städte als Hindernisparcours zu benutzen, Bungee-Jumping, River-Rafting usw. zu machen. Wenn das einen Senioren «anturnt» – warum nicht?

Als Kinder hörten wir den alten Spruch «Mens sana in corpore sano». Damals wurde das verstanden als: Ein gesunder Geist braucht einen gesunden Körper. Oder später diese Version: Einen gesunden Körper kann man nur haben, wenn man einen gesunden Geist besitzt. Mich dünkt, es brauche eben beides Gesundheit: der Geist und der Körper in «Symbiose».
Nike

Re: Diabetiker-Kurs

Beitrag von Nike »

Also, das ist die Erklärung von dem Spruch. Und erstaunlicherweise wird er immer wieder falsch eingesetzt.

http://de.wikipedia.org/wiki/Mens_sana_in_corpore_sano

Dass es nicht zwangsläufig beides braucht, dafür ist Stephen Hawking ein eindrückliches Beispiel. Oder eben auch manche Fussballer wie Andreas Möller oder Lothar Matthäus.

Grüessli Nike
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Re: Diabetiker-Kurs

Beitrag von Herr_Koch »

Unser alter Lateinlehrer hat uns das mit dem etwas abgekürzten Spruch auch erzählt. Das entscheidende "ut sit" machts eben aus. Ohne wirds zur Aufforderung, mit ists realistischer. ;)

Jedenfalls, wenn man den Drang zur Bewegung hat, dann soll man dem nachgeben. Ich wünschte, ich hätte ihn mehr. Aber die Sonntagsspaziergänge sind ja mal ein Anfang. ;)
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hut
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Re: Diabetiker-Kurs

Beitrag von hut »

Aber die Sonntagsspaziergänge sind ja mal ein Anfang.
Da geb ich dir völlig Rech, Herr_Koch, wenn man davon nur nicht so Durst kriegen würde, Das Bier nachher egalisiert einen teil der Wirkung halt grad wieder :lol:
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Nike

Re: Diabetiker-Kurs

Beitrag von Nike »

Herr_Koch hat geschrieben:Jedenfalls, wenn man den Drang zur Bewegung hat, dann soll man dem nachgeben. Ich wünschte, ich hätte ihn mehr. Aber die Sonntagsspaziergänge sind ja mal ein Anfang. ;)
Stimmt, wer Freude an der Bewegung hat, der macht auch was. Das seh ich bei meiner Tochter und meinem Mann. Ich hab auch keinen Bewegungsdrang und es reicht nicht mal für Sonntagsspaziergänge. Das wird dann mit schlechter Kondition bestraft. :( Das stört mich zwar manchmal, aber ich bin dann doch zu faul etwas zu ändern.

Grüessli Nike
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Re: Diabetiker-Kurs

Beitrag von Herr_Koch »

hut hat geschrieben:Aber die Sonntagsspaziergänge sind ja mal ein Anfang.
Da geb ich dir völlig Rech, Herr_Koch, wenn man davon nur nicht so Durst kriegen würde, Das Bier nachher egalisiert einen teil der Wirkung halt grad wieder :lol:
Genau den Teil hab ich natürlich weggelassen, damits besser tönt ... böse Zungen behaupten ja, ich würd den Spaziergang nur machen, weils danach noch erfrischenden Hopfen gibt ... :oops:
ondi

Re: Diabetiker-Kurs

Beitrag von ondi »

Schlussbemerkung vom Ondi zum Bewegungskurs Diabetes-Rehabilitation:

Während der 3 Monate habe ich in der Ernährungsberatung und in der Diabetesberatung einiges erfahren, was ich in den Alltag einbeziehen kann. ;)

In dieser Zeit legte ich 2 Megasteps zurück (also Ø pro Tag 21 940) und 13 624 Höhenmeter (also Ø pro Tag 162). Wichtig ists nun wohl, dass dies kein einmaliger Effort war, sondern ebenfalls seine Fortsetzung findet … auch ohne den Rahmen eines Gruppenkurses. :eh:
ondi

Re: Diabetiker-Kurs

Beitrag von ondi »

1938 spielte Johnny Hodges neben «Jeep’s Blues», «Pyramid» usw. auch «Wanderlust», also englisch wärs Joy of Walking … das Stück trägt aber kurioserweise den deutschen Titel. Es tönt ein bisschen wie alle andern Hodges-Stücke jener Zeit: einfach sein Altsaxsound, und es wirkt eher traurig als nach Wanderlust. :?

Heute musste ich mir leider eingestehen, dass ich mir nur eingebildet hatte, ich hätte Wanderlust, als ich die vielen langen Spaziergänge im März bis Mai machte. Jetzt, da das MSR-Gerät abgegeben ist und keinerlei Bewegungsdaten, Kurven, Intensitätszahlen mehr aufgezeichnet werden, stelle ich mit Enttäuschung fest, dass die Luft aus der Wanderlust raus ist. :problem:

Es war nicht Einsicht, dass es mir hilft, ein bisschen gesünder zu sein, und wirkliche Freude an den Spaziergängen mit intrinsischer Motivation (das dachte ich nur!), sondern ein extrinsischer Ansporn, etwas zu tun, was man danach auf dem Bildschirm für jeden Tag betrachten, begutachten oder sonstwie reflektieren kann. Ich machte Daten für Computerchips, statt mich für mich selbst mehr zu bewegen. Eine bittere Erkenntnis. Jetzt stellt sich die Frage, ob ich meine Synapsen resetten kann. :W
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